Nach meiner
etwas unglücklichen Begegnung mit einem Auto im April dieses Jahres, schien meine Triathlon Saison 2017 beendet,
bevor sie begonnen hatte.
Physio war
gefordert, Schwimmen erlaubt, Aquajoggen
und Radfahren auf dem Ergometer auch, aber Laufen?
Kein Arzt
wollte sich da verbindlich äußern. Also Abwarten und Tee trinken, bzw. so viel
Alternativtraining wie möglich.
Bei jeder
Nachsorge Untersuchung stellte ich dieselbe Frage - darf ich Laufen?
Im Juni dann
plötzlich die überraschende Antwort – Laufen ja, wenn auch erst nur auf dem
Laufband oder der Bahn und seeeehr vorsichtig.
Aber immerhin Laufen!
Jetzt wollte
ich wenigstens noch eine Mitteldistanz finishen, möglichst spät im Jahr, um
noch so viel Laufform aufzubauen als irgend möglich und eher flach um meine
armen Wirbel so gut als möglich zu schonen.
Schnell fiel
meine Wahl auf den Nordseeman / Nordseewomen in Wilhelmshaven am 13. August.
Dort bin ich
vor zwei Jahren meine erste
Mitteldistanz überhaupt gestartet.
Der Wettkampf
ist liebevoll organisiert und die Strecke nicht zu anspruchsvoll.
Natürlich
ging es eigentlich nur ums heil und gesund
Ankommen.
Aber eine Verbesserung
zu 2015 sollte natürlich möglichst schon drin sein.
Hatte ich mich doch tapfer
Stunden um Stunden und Bahnen um Bahnen im Schwimmbad abgemüht!
Das
Radtraining lief auch super, nur beim
Laufen hatte ich so überhaupt keine Einschätzung.
Trotzdem
fing ich klammheimlich an, von einer Zeit unter 5 Stunden zu träumen.
Das war eins
meiner Ziele für 2017 gewesen und auch ohne Unfall, bei meiner bisherigen Bestzeit von 05:23 h, schon eher etwas überambitioniert.
Aber ich wollte ein Ziel, Hopp oder Flop,
wie auch immer, einfach nur ankommen war bestimmt vernünftig, aber leider auch
so überhaupt nicht sexy.
Also vor,
während und nach jedem Lauftraining mit meinem Körper diskutiert.
Wieviel geht,
wie schnell, wie oft?
Wie fühlt sich der Rücken an? Wie, der rechte Fuß tut
weh, wieso das denn jetzt? Und der Erguss im Knie ist auch noch nicht weg? Und
ja, ich laufe morgen nicht, aber dafür übermorgen Intervalle, ok?
Insgesamt
wohl so ziemlich ok, denn am Tag X stehe ich fröstelnd (wie immer!), aufgeregt
(wie immer!) und voller Selbstzweifel (auch wie immer!) in der Wechselzone, also einfach total glücklich.
Das Gewusel
um mich herum, die völlig durchnässte
Wiese, die Panik wieder irgendetwas vergessen zu haben - herrlich.
Nach dem Reinzwängen
in den Neo (bin ich wirklich so viel fetter geworden?), kurz einschwimmen und dann kommt auch schon
das Startsignal.
Zumindest
wahrscheinlich kam das Startsignal, denn ich habe das irgendwie nicht
gehört. Aber wenn alle los schwimmen, schwimme ich halt auch – fängt ja schon mal
super an!
Die
Schwimmstrecke in Wilhelmshaven ist für eine so eher nicht so tolle Schwimmerin
wie mich ideal.
Eine
Wendestrecke in einem Kanal mit Brackwasser, immer geradeaus und im Neo ploppt
man hoch wie ein Korken aus einer Sektlasche.
Was mir nach
den ersten paar hundert Metern auffällt, sind die Schwimmerinnen um mich herum.
Es mag überraschen, dass mich in einem Triathlon die Anwesenheit anderer
Schwimmer überrascht, aber das war beileibe nicht immer so.
Nicht das
ich im letzten Jahr ständig als Letzte aus dem Wasser kam, aber ich hatte normalerweise
immer jede Menge Platz um mich herum. Nun
also geradezu MASSEN!
Entweder waren die
heute besonders langsam oder ich
tatsächlich ein klitzekleinesbisschen schneller.
Endlich
konnte ich mal diese tollen Ratschläge befolgen wie „an die Füße des
Vordermannes anhängen, eventuell kurzen Sprint zum Nächsten einlegen usw!“
Mein
persönliches Highlight war jedoch, das mich erst ein paar Meter vor dem
Ausstieg das Gros der Badekappen aus der nachfolgenden Startgruppe überholte – das kam auch schon mal eher.
Dann raus
aus dem Wasser, raus aus dem Neo, und - Hurra!
- Rad gefunden ohne erstmal durch die Wechselzone zu irren.
Edge an,
Startnummer an, Helm an – ich bin ein Roboter!
Raus aus der
Zone, rauf aufs Rad, in die Schuhe, Gas
geben.
Alles
flutscht trotz über einem Jahr Wettkampfabstinenz.
Auf dem Rad erstmal
Status abfragen - sitzt alles, alles da, wie fühle ich mich?
Erst mal
fühle ich mich kalt.
Sooo warm
ist es bei 15 °C im nassen Einteiler im Wettkampftempo nicht, aber nach ein
paar hundert Metern bin ich trocken und konzentriere mich darauf meine vorher
festgelegte Wattzahl zu halten.
Da heißt es
zuerst mal Tempo drosseln.
Erste Runde,
zweite Runde, ich habe zu keiner Zeit das Gefühl mich zu sehr anzustrengen, in
der dritten Runde weiß ich, dass ich das durchbekomme.
In der
vierten versuche ich die Trittfrequenz zu erhöhen, allmählich muss ich auch
darauf achten die Watt zu halten, aber da ist es auch schon vorbei.
In der
Wechselzone finde ich meinen Platz, Laufschuhe an, Softflask und Sonnenbrille
geschnappt und los.
Normalerweise
kommt jetzt mein Highlight, das Laufen, doch diesmal ist es mein größter
Unsicherheitsfaktor.
Ich habe keine Ahnung wo ich läuferisch stehe, habe seit
März keinen Wettkampf bestritten, wie
meine Laufform tatsächlich aussieht – keine Ahnung.
Mit einer
Sub 5 zu finishen klingt toll und auch theoretisch total machbar.
In der
Realität bedeutete das jedoch:
- eine Schwimmpace von 2:00 min pro 100 Meter (was
ich noch nie in irgendeinem
Wettkampf egal welcher Länge geschwommen bin, aber
man wächst ja mit seinen
Herausforderungen
- einen Schnitt von 33 – 35 km/h auf dem Rad (auf
90 Kilometer natürlich auch noch nie
erreicht, aber ich hatte ja meine neue
Geheimwaffe, das Pearl – fuhr das nicht sozusagen
von alleine?)
- und schlussendlich einen Halbmarathon in
höchstens 01:43 h, besser 01:40 h
Zieht man
von dieser Zeit die 10% ab, die man im Triathlon als Faustregel länger braucht
als in einem reinen Laufwettkampf, käme ich auf eine – hypothetische –
Halbmarathon Wettkampfzeit von 01:30 h – 01:33 h.
Sehr witzig,
im März war ich in Hannover in Höchstform eine persönliche Bestzeit von
01:31:30 h gelaufen, davon war ich
gefühlt so weit entfernt wie ein Igel von einem Hasen.
Trotzdem
peilte ich unverdrossen eine Pace von 04:45 an, langsamer konnte ich ja immer
noch werden.
Die Laufstrecke
am Deich hat mir bei meiner ersten Teilnahme vor zwei Jahren am wenigsten
gefallen.
Ein 5 Km
Wendekurs, über den Deich und dann am Wasser entlang auf einem schmalen Weg.
Der
Wendepunkt höchstens einen Meter breit, der Deich in jeder Runde zweimal zu
überqueren, gefühlt wuchs das Ding jede Runde um einige Meter.
Zu allem
Überfluss war es 2015 auch recht warm, die Strecke natürlich komplett in der
Sonne und da nicht abgesperrt, musste man sie auch noch mit Urlaubern, Hunden
und sogar Fahrrädern teilen.
Diesmal ist
es zwar auch sonnig, aber viel kühler, irgendwie sind die Urlauber dezenter,
der Deich flacher, kurzum es läuft sich gut an.
Nach einem
Kilometer – ich bin gerade das erste Mal über den Deich, kommt mir eine Frau in einem gelben T-Shirt
entgegen.
Ich bin
völlig geschockt. Woher kommt diese Athletin mit einem Vorsprung von fast 4
Kilometern? Im T-Shirt? Wie schnell will
die denn geschwommen sein?
Etwas
demoralisiert mache ich mich weiter auf die erste Runde.
Aber das
Laufen macht Spaß.
Ich genieße das Meer, die Zuschauer an der Strecke und vor
allem das Strahlen und die aufmunternden Blicke meiner Mitstreiterinnen.
So viel
gegenseitige Unterstützung und Motivation untereinander habe ich noch nie
erlebt.
Es ist
einfach eine Freude.
Auch in der
zweiten Runde halte ich mein Tempo ganz gut, ich habe keinen Hunger, keinen
Durst und der Deich entfaltet auch noch nicht seinen Schrecken.
Die dritte Runde
wird schon schwerer. Ich hänge mich an einen Läufer vor mir und achte darauf ob
andere Läuferinnen von hinten aufschließen.
Bei der Wende zur vierten Runde sehe ich die Uhr am Zielbogen und
versuche mit meinem doch inzwischen wohl recht schlecht durchbluteten Gehirn
auszurechnen, wie viel Zeit mir für die letzten 5 Kilometer bleibt um mein Traumziel
von der Sub 5 zu erreichen.
Ich meine 4 Stunden, 37 Minuten erkannt zu haben oder war es eine 34?
Bei einer
Pace von 5:00 wären 5 Kilometer 25 min. Aber halt, da fehlen ja noch so 300 m.
Wie schnell laufe ich denn gerade? Das wird nix. Nicht wenn die Uhr 04:37
anzeigte. Nicht wenn ich wirklich 5 min pro Kilometer brauche.
Jetzt fängt
die innere Diskussion an.
Vor mir ist
mindestens einen Kilometer keine Frau – hinter mir auch nicht. Es gibt also
positionsmäßig keinen Grund mehr sich zu beeilen.
Und die Beine sind müde, die
Füße schmerzen, mein Rücken tut weh.
Ich habe jetzt Hunger, aber noch mehr Durst.
Lass es gut sein, die Zeit schaffst du eh nicht, ist doch toll das überhaupt
alles so gut geklappt hat und so weiter und so weiter.
Ich gucke
auf die Uhr, Pace 4:55 min/km. Schneller als ich befürchtet habe. Ein kleines
bisschen Gas geben sollte doch drin sein? Ich ziehe etwas an und schließe
wieder auf meinen „Hasenläufer“ vor mir auf.
Er guckt,
ich so – "jetzt nicht langsamer werden!", er so – "ich versuch es ja!"
Der Arme
muss noch eine weitere Runde, hält sich aber tapfer.
So mühen wir
uns bis zu meiner letzten Wende, jetzt wird es wirklich hart, gefühlt hangle
ich mich von Grashalm zu Grashalm. Das letzte Mal über den Deich, noch ein paar
hundert Meter. Ich raffe meine letzten Reserven zusammen und laufe ins Ziel.
Ein Blick
zur Uhr – 05:01:53 h.
Dann aber,
anscheinend kehrt inzwischen etwas mehr Blut in mein armes Gehirn zurück,
dämmert es mir.
Ich bin ja
gar nicht um 09:00 Uhr im ersten Startblock, sondern mit den anderen Frauen um
09:05 gestartet!
Ich rechne
vorsichtshalber noch dreimal nach, aber bin mir sicher – meine Endzeit ist
irgendwas mit 4 Stunden und 56 min. SUB FÜNF – ich freue mich dermaßen.
So ein
Glück nach diesem verheerenden Jahr.
Meine
Hartnäckigkeit, so schnell und so viel wie möglich wieder zu trainieren, sicher
auch meine Risikobereitschaft auf mich und meinen Körper und nicht nur auf die
Ärzte zu hören und meine Freude an diesem Tag, haben sich unglaublich ausgezahlt.
Nach einer
Weile weiter freuen und Melone und Kuchen essen, Bier und Wasser trinken, fange ich mich ein bisschen an zu
wundern, wo denn die nächsten Frauen bleiben.
Auch gibt es beim Einlaufen keinen
Moderator der uns Finisher begrüßt, er ist mit den Startansagen für die
Jedermänner beschäftigt.
Ich entdecke
eine Offizielle mit einem Klemmbrett in der Hand, die anscheinend die eintreffenden Sportler notiert und frage
sie, ob sie erkennen kann auf welcher Platzierung ich stehe.
Sie checkt
meine Startnummer, guckt nochmal und gratuliert mir zum ersten Platz.
Das kann
nicht sein, ich erzähle ihr von der Frau im gelben Shirt. Staffel, meint sie
nur – die ist Staffel.
Inzwischen
ist auch die zweite Frau und nach ihr eine Freundin aus Hamburg als dritte im
Ziel.
Ich erzähle
ihnen von unserem Erfolg. Wir strahlen alle um die Wette.
Mein erster
Start bei einem Triathlon dieses Jahr, meine erste sub Fünf, mein erster
Gesamtsieg, ich bekomme das Grinsen gar nicht mehr aus meinem Gesicht.
Ein Interview
für die Wilhelmshavener Zeitung – die Siegerehrung. Ich genieße jede Sekunde.
Was für ein
perfekter Tag!
Zum
Abschluss nochmal die nackten Zahlen:
Schwimmen: 1,9 km - 37:03 min - 02:57 min/100 m
Rad: 90,3 km - 02:34:55 h - 35 km/h - 3,18 W/kg
Laufen: 21,1 km - 01:39:44 h - 04:44 min/km
Weitere Fotos findet ihr HIER
Eine schöne Zusammenfassung in der Wilhelmshavener
Zeitung HIER
Ein paar weitere Fotos HIER
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So sehen strahlende Siegerinnen aus 😏 |