Mittwoch, 4. Oktober 2017

Aufwärts

Hier sehe ich doch schon bedeutend besser aus!
In den folgenden Tagen im Krankenhaus versuche ich, mich körperlich und vor allem seelisch, mit der Situation abzufinden oder zumindest zu arrangieren.
Abgesehen davon, dass ich mich trotz der Schmerzmittel kaum bewegen kann und auch nicht darf, reihen sich noch weitere Hiobsbotschaften aneinander.

Mir wird immer wieder Blut abgenommen, als ich frage warum, wird mir eröffnet, das mein Herz wohl etwas abbekommen hat, die Enzyme im Blut sind viel zu hoch, das bedeutet abgestorbene Herzmuskelzellen.
Außerdem ist meine rechte Gesichtshälfte ganz taub. 
Nicht nur das ich nicht Essen kann wegen meiner armen Zähne, nicht schlucken kann wegen des Halses, ich kann auch nicht trinken. Es fühlt sich an wie eine starke Betäubung beim Zahnarzt. Nur ein Strohhalm verhindert, dass mir alles wieder aus dem Mund läuft. Kaffee mit Strohhalm – wird sicher nicht mein Favorit!

Trotzdem habe ich Glück, nach einem erneuten CT wird auf eine OP meiner Wirbel verzichtet und eine Sonografie vom Herz zeigt auch keine Auffälligkeiten. 
So kann ich nach einer Woche endlich nach Hause. Gerade noch rechtzeitig, das Essen war so grauenhaft, das ich wohl ohne Jans´ Carepakete auch noch verhungert wäre. Erinnert sich noch irgendjemand an Milchsuppe???

Zuhause angekommen falle ich aber trotzdem erst mal in ein ziemliches Loch.
Die Prognose der Klinikärzte ist niederschmetternd.
Klar, das Wichtigste ist, das ich aller Voraussicht nach keine bleibenden Schäden nachbehalten werde. 
Aber trotzdem stimmt mich die Aussicht, für Monate auf jedes ernsthafte Training verzichten zu müssen, nicht gerade froh.
Dazu kommt auch der nicht unerhebliche finanzielle Aspekt.
Da ich den Unfall selbst verschuldet habe, muss ich für alle mir entstandenen Kosten selber aufkommen.
Nicht nur das Fahrrad, auch die beträchtlichen Startgebühren der verpassten Wettkämpfe kann ich jetzt abschreiben.
An die Zahnarztrechnung für meine Vorderzähne wage ich gar nicht zu denken.

Ich hatte ja gehofft das meine Unfallversicherung die einen oder anderen Kosten übernimmt, aber Pustekuchen!
Ein Anruf meinerseits und ein Schreiben dererseits belehrt mich leider eines Besseren oder vielmehr Schlechteren.
Die Versicherung greift nur bei BLEIBENDEN Schäden. 
Das heißt. ich hätte schon im Rollstuhl landen müssen oder arbeitsunfähig werden, um eine Leistung zu erhalten.
Der Preis wäre mir dann allerdings doch zu groß.
Wenigstes den Schaden am Transporter übernimmt meine Haftpflicht.

Trotz alledem, versuche ich nicht länger als nötig mit der Situation zu hadern.
Es gibt nämlich auch gute Nachrichten.
Ein Termin bei meinem Unfallarzt, der mich seit Jahren betreut, gibt Anlass zur Hoffnung.

Nachdem er sich mit wachsendem Unglauben durch meinen 4 seitigen Entlassungsbericht gearbeitet hat und ein neues Röntgenbild erstellt ist, gibt er doch eine sehr viel differenziertere Diagnose ab.

Da mir beim Sitzen auf einem Stuhl der
Rücken wehtut, schaffe ich mir einen
Gymnastikball an.
Trainiert auch gleich die Tiefenmuskulatur!. 
Ich darf ab sofort neben der Physiotherapie auch Schwimmen (auch kraulen? Ja, auch kraulen), Aquajoggen und auf dem Ergometer Radfahren.
Alles unter der Prämisse eines 3 wöchigen Kontrolltermin.

Absolut verboten ist aber Laufen.
Auch soll ich es tunlichst vermeiden zu stürzen, Schläge in meinen Rücken zu bekommen (hatte ich ehrlich auch nicht vor) und schwer zu tragen (sorry Schatz, kannst du mir bitte die Wäsche tragen – ich darf ja nicht . . .)
Alles in allem aber doch schon erheblich mehr als das „Nichts“ welches mir seitens der Klinik auferlegt werden sollte!

So nutze ich die Zeit so gut es geht.

Schwimmen hat erst einmal Priorität.
Beim Aquajoggen drückt der Gurt hinten gegen meinen Rücken. Das halte ich für ungünstig, egal was der Arzt sagt, deshalb stelle ich das vorsichtshalber vorerst zurück.

Bereits 10 Tage nach meinem Unfall, sitze
ich wieder auf einem "Fahrrad"
Beim Radfahren steige ich sobald wie möglich vom Ergometer auf mein Rennrad in der Rolle um, der Bewegungsablauf ist sonst einfach zu unterschiedlich.
Ich vertreibe mir die Zeit dabei mit Workouts von Zwift und dem ungehemmten Konsum von Serien auf Amazon Prime, die ich seit Jahren bezahle, aber nie wirklich beachtet habe . . .
Überhaupt – der Frühling ist unerwartet schön und sonnig und ich relaxe so oft auf meiner Liege im Garten wie seit Jahren nicht mehr.
Kurz, ich versuche eine möglichst ausgewogene Mischung aus Erholung und maximal machbarem Training zu erreichen.
Trotzdem sehe ich jeder Kontrolluntersuchung mit leichtem Bangen entgegen, denn auch wenn das WAS durchaus mit meinem Arzt abgesprochen ist, das WIEVIEL habe ich doch lieber nicht erörtert . . .
Aber alles geht gut, meine Genesung schreitet voran und ich fange an zu planen wie ich von der Saison noch retten kann, was noch zu retten ist.
Um meine schöne Radform nicht umsonst aufgebaut zu haben, melde ich mich kurzerhand für die 180 km Distanz bei den Hamburger Cyclassics.
Die wollte ich schon seit Jahren fahren, habe mich aber nie so richtig getraut.
Zu groß war meine Angst vor einem Sturz und einer Verletzung.
Da ja aber der Blitz bekanntlich nicht zweimal einschlägt, habe ich ja für dieses Jahr wohl hoffentlich mein Kontingent an Unfallverletzungen erfüllt.
Außerdem mache ich mir Hoffnung auf einen Start bei den Deutschen Marathon Meisterschaften in Frankfurt.
Über diese Brücke auf dem Weg zum
Stadtpark bin ich noch nie GEGANGEN.
Geschweige denn das ich ein Foto hätte
machen lassen 
Der Termin ist erst Ende Oktober, ich bin mir ziemlich sicher bis dahin wieder Laufen zu dürfen.

Es kommt aber noch besser, schon im Juni kommt die Freigabe wieder ins´ Laufen einzusteigen!
Damit habe ich überhaupt noch nicht gerechnet, wahrscheinlich war der arme Mann mein Jammern einfach leid 😁
Ich beginne also ganz vorsichtig auf dem Laufband, 
um ja kein Stolpern oder gar einen Sturz zu riskieren.

Aber Woche für Woche geht es immer besser. 

So mache ich mich am 15.August auf nach Wilhelmshaven. 
Das ich bei der dortigen Mitteldistanz starten kann,
ist ein unerwartetes Geschenk für mich. 
Ich schwanke zwischen Zuversicht, Vorfreude und Angst.

Wie es mir ergangen ist, könnt ihr HIER lesen!

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